Rede von Dr. Lilli Nielsen R
Rede vom 26. März 2009 anlässlich der Namensgebung des Förderzentrums körperliche und motorische Entwicklung zur „Lilli-Nielsen Schule“.
1967 wurde ich vom dänischen „Nationalinstitut für blinde Kinder und Jugendliche“ als reisende Lehrerin angestellt.
Während dieser Arbeit lernte ich Schüler kennen, die sowohl blind als auch geistig behindert waren. Einige von ihnen litten auch an Cerebralparese. Viele von ihnen waren auch Epileptiker. Keiner dieser mehrfachbehinderten Schüler konnte sprechen.
Ich wusste nicht, was ich für sie tun konnte. Ich versuchte Bücher zu finden, aus denen ich lernen konnte. Ich fand nur ein Buch, das diese Kinder beschrieb – wie sie waren, was sie tun konnten und was sie nicht tun konnten.
Es gab jedoch überhaupt keine Vorschläge für irgendeine Behandlung oder Bildung.
Ich beschloss, von den Kindern zu lernen. Ich setzte mich neben jedes Kind, gab ihm oder ihr Gegenstände zum Spielen und beobachtete, was sie taten oder nicht taten. Ich spielte auch, in der Hoffnung, dass ich dem Schüler ein Modell sein könnte – vielleicht würde er oder sie mich gerne imitieren.
Ich musste dringend mehr lernen, als ich in der Lehrerinnenausbildung gelernt hatte.
Um also mehr zu lernen, begann ich, Kinder ohne jegliche Behinderung zu studieren. Dazu las ich Bücher und Artikel und vor allem beobachtete ich junge Kinder, wo immer ich sie traf – auf Fähren, in Kindergärten und bei Familien – Freunden und Verwandten.
Während ich jeden Schüler beobachtete, sah ich unterschiedliche Reaktionen – Handbewegungen, Drehen des Kopfes oder des Körpers, Gesichtsausdrücke, Vokale, Schreie und manchmal sogar Lachen.
Ich beschloss, solche Reaktionen als bedeutsame Kommunikation zu betrachten. Ich versuchte zu interpretieren, was der Schüler sagte, und dann antwortete ich darauf.
Allmählich lernte ich immer besser, die richtige Interpretation zu finden, mit dem Ergebnis, dass die Kommunikationswege des Schülers sich weiterentwickelten.
Ich traf oft auf Aussagen wie „Verbringe deine Zeit nicht mit diesen Kindern, sie können nicht lernen.“ Ich konnte mit solch einem Urteil nicht einverstanden sein. Ich fuhr einfach fort, sowohl mit den Schülern zu spielen als auch sie zu beobachten. Allmählich sah ich bei vielen von ihnen eine Verbesserung.
Auch Mitarbeiter sahen die offensichtliche Verbesserung. Sie begannen, meine Arbeitsweise die Lilli-Nielsen-Methode zu nennen. Ich fühlte mich natürlich geehrt, aber fürchtete auch, dass mein Ansatz mit mir verschwinden würde. Um das zu verhindern, beschloss ich, den Ansatz Active Learning zu nennen. Die Philosophie des Active Learning ist, dass der Schüler von seiner eigenen Aktivität lernt und nicht dadurch, dass er “trainiert“ wird.
Active Learning basiert auf Wissen, das aus den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien und von den Schülern selbst kommt.
1976 brauchte ich dringend ein diagnostisches Verfahren. Da ich keinen finden konnte, der gut genug zu den schwerstmehrfachbehinderten Schülern passte, begann ich einen herzustellen. Ich legte die Aktivitäten der etwa 100 Schüler zu Grunde, die ich besuchte, sowie Erkenntnisse aus Studien.
1983 revidierte ich dieses diagnostische Verfahren umfassend. Ich bezog das Wissen über räumliche Erfahrungen ein, das ich durch meine wissenschaftliche Forschung zwischen 1977 und 1980 gewonnen hatte. Für diese Arbeit verlieh mir die Universität Aarhus den akademischen Grad einer Lizentiatin der Psychologie.
Während all dieser Jahre verfolgte ich die wissenschaftliche Forschung etwa darüber, wie das Gehirn funktioniert, wie Lernen geschieht und wie sich motorische Fähigkeiten Schritt für Schritt entwickeln.
All dies führte zu dem „Funktionsschema“ das wir heute haben.
Nur durch eine genaue Bestimmung des Entwicklungsniveaus des Schülers ist es möglich, solche Lernumgebungen zu gestalten, die für den Schüler von größtem Nutzen sind.
Active Learning ist von 1976 bis heute weiterentwickelt worden – es wird immer noch weiterentwickelt, besonders dort, wo Lehrer und andere Active Learning als einen lebenden Organismus sehen wollen.
Es ist eine große Ehre für mich, dass Sie beschlossen haben, Ihre Schule nach mir zu benennen, und es ist eine große Anerkennung für alle diejenigen überall auf der Welt, die Active Learning verwenden in dem Bemühen, Schülern die bestmöglichen Gelegenheiten zum Lernen zu geben, wie Eltern, Lehrer, Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Hausmütter, Schulleiter, und alle die hier nicht erwähnt sind.
Also, Ihnen allen: Danke!
März 2009
Lilli Nielsen, Phd, R